Zwischen Herbert Püschel und Balu stimmt die Chemie: Das Alpaka ist aus freien Stückenbei dem alten Herrn stehengeblieben und wirkt sehr entspannt. Als Jeanette Flegel, die es führt, den Zeigefinger auf Püschels Kopf zu bewegt, zögert Balu nicht und stupst sein Gegenüber sanft an die Wange, dann nochmal, und ein drittes Mal: eindeutig eine Geste der Zuneigung, die man als Mensch getrost als Kuss betrachten darf. Er könne generell gut mit Tieren, sagt Püschel: „Das kriegen die mit, dafür haben sie ein Gespür.“
Auch andere in der Runde werden von Balu oder Michel, dem zweiten „Schurwald-Alpaka“ aus Baltmannsweiler, geküsst. Zum Beispiel Roswitha Schumann, obwohl sie zunächst ein bisschen skeptisch war. Danach strahlt sie: „Das war angenehm, ganz weiche Wolle“ – ein schönes Erlebnis. Kuscheltiere sind Alpakas allerdings nicht, man sollte sie nicht gleich kraulen oder streicheln, auch wenn das weiche Fell dazu verlockt. Schon gar nicht am Kopf, das hätten sie nicht gern, erklärt Jeanette Flegel und erinnert die Senioren immer wieder daran, die Hände unten zu lassen. Denn vom Wesen her seien die südamerikanischen Kamele eher distanziert und untereinander recht sparsam mit Körperkontakt, aber dabei sehr feinfühlig. Ihnen sei egal, wie der Mensch gegenüber aussieht, wie alt er ist und ob er Geld hat. „Sie spüren, wie man sich fühlt“, sagt Flegel.
Gerade die Zurückhaltung der Tiere macht es manchen Senioren leichter und nimmt ihnen die Angst. Im Hof von St. Lukas sitzen rund zwei Dutzend Bewohner und Bewohnerinnen, daneben Ehrenamtliche, Beschäftigte und Angehörige, manche mit kleinen Kindern. Alle sind hin und weg von den beiden sanften Wesen, die mit ihren großen, schwarzen Augen und den aufgestellten Ohren aufmerksam und zugewandt wirken. Behutsames Berühren und Streicheln ist erlaubt; eine Bewohnerin, die blind ist, darf Balu füttern und ist tief berührt, als er ihr aus der Hand frisst. „Das glaubt mir keiner“, sagt sie.
Auch für die Vierbeiner selbst ist dieser Ausflug ein Abenteuer, denn normalerweise sind sie es, die Besuch auf Flegels Gelände in Baltmannsweiler bekommen. Oft sind das Menschen mit Behinderung, Gruppen aus Pflegeheimen oder aus dem Kinderhospiz. In diesem Fall kam aber eine Anfrage von der Stiftung „Lebensfreude, Lebensqualität und Würde im Seniorenzentrum St. Lukas und in Wernau“. Eins ihrer Mitglieder hatte vorgeschlagen, einen Alpakabesuch in Wernau zu finanzieren, damit alle Hausbewohner profitieren können. So kam es zum ersten Auswärtsbesuch der Alpakas, der letztendlich sehr entspannt verläuft. Michel und Balu gewöhnen sich schnell ans neue Umfeld und machen bald den Eindruck, dass sie gern den Garten samt Gullydeckeln und Mülleimer erkunden würden.
Raus in die Natur zu gehen, sinnliche Erlebnisse abseits vom Pflegealltag zu erleben, das nehme man in St. Lukas generell sehr wichtig, sagt Sozialdienstleiterin Cornelia Sigmund-Göb. Tiere spielen dabei eine große Rolle, denn sie sprechen Emotionen an. Im Hasenstall im Garten sitzen deshalb zwei Karnickel, die oft den Garten erkunden. Regelmäßig kommt außerdem eine Wernauerin mit ihrem Hund zu Besuch. „Das wird auch geliebt“, sagt Cornelia Sigmund-Göb.